Egal ob die Solothurner IT-Firma Seerow, Island oder Spanien - die 4-Tagewoche (4TAW) ist aktuell in aller Munde. Anstatt fünf Tagen nur Vier arbeiten und dies bei gleichem Lohn. Praktisch eine 20%ige Lohnerhöhung, ausgezahlt in Zeit statt Geld. Kann das funktionieren? Dazu kursiert viel Halbwissen und existieren noch mehr Glaubenssätze. Hier ein paar Fakten zur 4TAW die du wissen solltest.
Die 4-Tagewoche kann funktionieren
Mal ehrlich - kann die 4-Tagewoche wirklich funktionieren?
In kurz: Ja, kann funktionieren. In lang: Unternehmen unter anderem aus der Industrie (z.B. Toyota), der Informatik (z.B. Microsoft Japan, Rheingans) und der Buchhaltung (z.B. Perpetual Guardian) haben dies erfolgreich bewiesen. Das Spektrum reicht von kleinen (z.B. Rheingans) über mittelständigen (z.B. Perpetual Guardian) zu grossen Unternehmen (z.B. Microsoft Japan)
Ein paar Firmen, wie beispielsweise der schwedische Bioprinting Hersteller Cellink sind bei der Umsetzung gescheitert. Ob die Umsetzung scheitert oder nicht, ist allerdings nicht dem Zufall unterworfen.
Sektoren wie Verkauf und Pflege eignen sich weniger oder brauchen noch zusätzliche Lösungen, die bisher nicht gefunden wurden. Interessanterweise wurde jedoch festgestellt, dass Kranke deutlich bessere Behandlung erhielten, wenn die Pflegekräfte reduziert arbeiteten.
5-Stundentag oder 4-Tagewoche spielt keine ausschlaggebende Rolle
Warum eine verkürzte Arbeitswoche und nicht verkürzte Arbeitstage? Wären kürzere Arbeitstage nicht sinnvoller?
Konzeptionell unterscheiden sich die 4TAW und der 5h-Tag nicht massgeblich. Beide funktionieren aus den gleichen Hauptgründen (Effizienz- und Produktivitätssteigerung ermöglicht durch kürzere Arbeitszeit) und für beide gilt bei der Einführung grundsätzlich die gleichen Faktoren zu beachten, wie zum Beispiel die aktive Involvierung der Mitarbeiter.
Welches Modell für eine Firma oder ein Unternehmen sinnvoller ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Möchte eine Firma beispielsweise den Kunden Verfügbarkeit gewährleisten, so ist dies bei einer kleineren Firma nur durch verkürzte Arbeitstage möglich.
Bei den Umsetzungen schwanken die verkürzten Arbeitszeiten zwischen 25 und 32 Stunden.
Die 4-Tagewoche lässt sich nicht verordnen
Die 4TAW ist keine Wunderwaffe. Sie lässt sich nicht verordnen und die Produktivität schiesst nicht magisch in die Höhe. Die 4TAW ist ein firmen- oder unternehmensübergreifendes Projekt, was alle Beteiligten aktiv an Bord braucht. Zu allererst die Angestellten und die Leitung.
Die Implementierung ist ausschlaggebend
Tatsächlich ist die Implementierung der grosse Knackpunkt. Auf dem Weg zur erfolgreichen Umsetzung der 4TAW liegen viele Stolpersteine wie Ängste, Spannungen, Sorgen und Interessen von verschiedenen Stakeholdern. Ein angemessenes Involvieren aller Stakeholder ist wichtig sowie eine Kommunikation, in der es offene Ohren gibt für die passiven Widerstände, damit sich diese Auflösen können. Vielleicht überrascht der Fakt, dass Mitarbeiter*innen durchaus auch mal vom Zuhause zur Arbeit flüchten. Ein Tag weniger im Büro kann da zu Stress führen. Die Liste an Stolpersteinen ist lang und deshalb lohnt sich die Zusammenarbeit mit einer/m Organisationsentwickler*in.
Die 20% weniger Arbeit werden durch gesteigerte Produktivität und Effizienz mehr als ausgeglichen
Jede*r wird sich schnell die Frage stellen, wie funktioniert das Ganze finanziell? Die 4TAW kann nur funktionieren, wenn die Arbeit von fünf Tagen in 80% der Zeit erledigt wird. Die dazu notwendige Kompensation entsteht durch Effizienz- und Produktivitätssteigerung. Aber nicht durch blindes Streichen der Kaffeepause. Massnahmen dazu erarbeiten und entwickeln Mitarbeiter*innen und Teams selbst, so dass die Massnahmen tatsächlich auch passen und mitgetragen werden. Aber auch die Aussicht auf etwas tatsächlich Wertvolles - Lebenszeit - setzt die notwendige Energie und Motivation frei. Die getroffenen Massnahmen sind oft vielfältig und individuell und lassen sich nicht verbatim von einem Unternehmen auf ein Anderes übertragen.
Die Firmen die dies erfolgreich umgesetzt haben, haben alle eine Umsatzsteigerung verzeichnet. Bei Microsoft Japan betrug die Steigerung der Produktivität sogar 40%.
Die gesteigerte Effizienz und Produktivität bleiben auch über Zeit erhalten
Schön und gut. Die Mitarbeiter*innen steigern ihre Effizienz und Produktivität, aber sinkt die nicht wieder nach einem Jahr? Passiert doch häufig nach Organisationsentwicklungsmassnahmen.
Die Einführung der 4TAW ist nicht nur eine strukturelle Umschichtung. Sie ist auch eine kulturelle Veränderung und wird in vielen Fällen mit individuellem Wachstum einhergehen. Der Grund dafür liegt in der Art der Umsetzung. Dadurch, dass die Massnahmen direkt von den umsetzenden Mitarbeitern, für sie massgeschneidert daherkommen, werden sie sich richtig anfühlen. Selbst die eigene Arbeit gestalten zu können wird das Gefühl der Selbstwirksamkeit stärken. Das wird nicht so schnell wieder aufgegeben. Gleichzeitig steigert die 4TAW die Gesamtzufriedenheit und die Gesundheit der Mitarbeiter. Das wirkt sich zusätzlich positiv auf den Erhalt der gesteigerten Leistung aus.
Die Mehrheit der Arbeitnehmer begrüsst die 4-Tagewoche
Du magst deinen Job, und willst gar nicht weniger arbeiten? Herzlichen Glückwunsch - du gehörst zu einer glücklichen Minderheit!
Mehrere Studien zeigen in unregelmässigen Abständen, dass die Mehrheit der Vollzeit arbeitenden Arbeitnehmer, gerne weniger arbeiten möchte und die 4TAW begrüssen.
Die 3-Tagewoche ist nicht im Gespräch
Kommt nach der 4TAW die 3-Tagewoche?
Möglich, aber vermutlich muss dazu erstmal die 4TAW das neue Normal werden. Das heisst vielleicht sprechen wir in 20-40 Jahren nochmal darüber. Bis dahin wird die dazugehörige Faktenlage vermutlich verbessert und neue Machbarkeitsstudien werden darüber Auskunft geben, wie und ob die 3TAW funktionieren kann. Aktuell wird die 3TAW nirgends ernsthaft für weite Teile der Wirtschaft diskutiert und vor einem slippery-slope-Effekt braucht sich niemand zu fürchten.
Die 4TAW ist ein Alleinstellungsmerkmal, das fähige Mitarbeiter anzieht und einen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt erzielt
Kompetente, motivierte und engagierte Mitarbeiter sind in keiner Branche im Übermass vorhanden. Aktuell sind die Firmen mit 4TAW noch in der Minderzahl.
Doch die erfolgreiche Einführung zeigt Bewerbern, dass diese Firma tatsächlich eine Kultur lebt, die gerade bei der aktuellen Generation sehr gefragt ist. Rheingans sagt, sie werden überflutet von guten Initiativbewerbungen.
In dem Moment, wo der Staat beschliesst, dass das für alle gelten soll - und Experimente werden gemacht, siehe beispielsweise Island - wird die erfolgreiche Einführung schwieriger.
Die Firmen und Unternehmen die sich jetzt wagen in die Vorreiterrolle zu gehen, werden mittel- und langfristig nachhaltigere Stabilität aufweisen, sowohl personell als auch finanziell.
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